4. Juni ist Tag der Organspende

Während sich die Schweizer Bevölkerung gerade in einem Volksentscheid mehrheitlich für eine radikale Änderung bei der Organspende ausgesprochen hat, versucht die deutsche Bundesregierung mit einem neuen Gesetz die Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende zu stärken. Der Unterschied ist grundlegend. Künftig gilt damit nämlich in der Schweiz jede Person als potentieller Organspender, wenn diese nicht ausdrücklich widersprochen hat. Die Bundesrepublik hingegen verteidigt das Recht seiner Bewohner, keine Entscheidung zum Verbleib der eigenen Organe treffen zu müssen. Hierzulande soll lediglich durch mehr Informationsmaterial und Aufklärungsarbeit die Entscheidungsbereitschaft gesteigert werden.

Das heißt, während in den meisten europäischen Nachbarländern die sogenannte Widerspruchslösung gilt, braucht es in Deutschland weiterhin eine explizite Zustimmung, um als Organspender in Frage zu kommen.

 

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Enttäuschte Hoffnung für Wartelisten-Patienten

Für die mehr als 9000 Menschen in Deutschland, die zurzeit auf der Warteliste für ein Spenderorgan stehen, ist die Gesetzesänderung nur ein schwacher Trost. Denn gerade diese Personen wissen, dass jeden Tag drei Menschen von der Warteliste sterben, weil es  nicht genügend Spenderorgane für alle gibt.

In den meisten Fällen liegt das allerdings nicht an einer mangelnden Bereitschaft zur Organspende. Eine repräsentative Umfrage der BzgA hat 2020 ergeben, dass 82% der Befragten der Organspende positiv gegenüber stehen.

Dieselbe Umfrage hat allerdings auch gezeigt, dass von den befragten Personen nur 62% eine Entscheidung bzgl. der Spende ihrer Organe getroffen haben und davon gerade einmal 44% diese Entscheidung auch dokumentiert haben.

Das bedeutet, viele potentielle Spenderorgane gehen verloren, weil der Wille eines Patienten nicht bekannt ist und dieser nur durch zeitintensive Recherche in Erfahrung gebracht werden kann. Müssen dann auch noch Familienmitglieder, Angehörige oder Freunde der soeben verstorbenen Person in einem der schwersten Momente ihres Lebens eine Entscheidung im Sinne des Betroffenen fällen, dann wird diese aus Furcht häufig gegen die Organspende getroffen.

Einführung des Organspende-Registers auf Ende 2022 verschoben

Um den Verlust von potentiellen Spenderorganen in Deutschland zu minimieren, sieht die Änderung des Transplantationsgesetzes vom März 2022 unter anderem die Schaffung eines „Registers für die Erklärung zur Organ- und Gewebespende“ beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vor. In diesem freiwilligen elektronischen „Organspender-Register“ soll die Entscheidung für oder gegen eine Organ- und Gewebespende zentral erfasst werden und jederzeit für berechtigte Personen und Institutionen abrufbar sein.

Doch auch hier hat die Corona-Pandemie vielen Wartelisten-Patienten einen Strich durch die aufkeimende Hoffnung gemacht. Denn das Verzeichnis, das ursprünglich auch schon im März 2022 hätte an den Start gehen sollen, ist durch die akute Überlastung des Gesundheitssystems mindestens auf das Jahresende verschoben worden. Ob allerdings dieser Termin eingehalten werden kann, wird wohl erst die Corona-Entwicklung des Herbstes zeigen.

Aufmerksamkeit für Organspende schaffen

Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Transplantationsbeauftragten NRW e.V., Chefarzt Dr. Gero Frings, plädiert dafür, dass das Thema Organspende jetzt wieder dringend mehr Aufmerksamkeit braucht:

„Wir haben gerade in diesem Jahr wieder rückläufige Zahlen – leider. Zunächst konnten wir die Organspendezahlen in der COVID-Zeit im internationalen Vergleich erfreulicher Weise ganz gut halten, aber jetzt sind sie leider rückläufig. Diese Tendenz sehen wir seit Jahren.“

Aus diesem Grund ist der Tag der Organspende am 4. Juni für den Intensivmediziner am St. Bernhard-Hospital Kamp-Lintfort so wichtig:

An diesem Tag möchten wir einmal die Bevölkerung erreichen. Der Tag der Organspende ist aber auch ein Tag, an dem wir alle Kolleginnen und Kollegen in den Krankenhäusern erreichen möchten, um hier nochmal darauf aufmerksam zu machen, dass es ganz wichtig ist, darauf zu achten, wo sich potentielle Spenderinnen und Spender auf den Intensivstationen befinden“, so Frings weiter.

Transplantationsbeauftragte für alle Krankenhäuser – egal wie groß

Das überarbeitete Transplantationsgesetz schreibt für nahezu jedes Krankenhaus in Deutschland einen Transplantationsbeauftragten vor. Gerade diese intensivmedizinischen Experten sollen potentielle Organspender erkennen und gegebenenfalls die erforderlichen Schritte einleiten und betreuen.

Um dieser anspruchsvollen Aufgabe allerdings nachkommen zu können, bräuchten die Transplantationsbeauftragten aus Ärzteschaft und Pflege vor allem ausreichend Zeit, mahnt Frings. „Und das in allen Krankenhäusern. Von den ganz großen mit gleich mehreren Transplantationsbeauftragten bis hin zu den ganz kleinen, die oft nur mit Stellenanteil Transplantationsbeauftragte stellen können“, so Frings weiter.

„Das ist deshalb so wichtig, weil in so einem kleinen Krankenhaus vielleicht nur einmal im Jahr ein Spender generiert wird. Aber wir haben viele dieser Krankenhäuser. Würde in jedem dieser kleinen Häuser in Deutschland nur ein Spender pro Jahr tatsächlich gemeldet und käme es zu einer Organspende, dann hätten wir überhaupt gar keine Probleme mehr, alle unsere Patientinnen und Patienten, die auf der Warteliste stehen, zu versorgen.“

Nächste Angehörige müssen Entscheidung kennen

Für Angehörige ist die Entscheidung, ob jemand Organe spenden wollte oder nicht, eine enorme Belastung, erklärt Frings. „Das ist eine Frage, die natürlich nie zu einem guten Zeitpunkt kommen kann. Denn wir haben die Angehörigen gerade über den Tod ihres Angehörigen unterrichtet.“

Die einfachste Lösung hierfür ist der Organspendeausweis. Wer darauf seine Entscheidung zur Organ- und Gewebespende dokumentiert, der erleichtert nicht nur die Arbeit des Personals auf den Intensivstationen, sondern ermöglicht auch den trauernden Angehörigen, die Begleitung im Sinne des Verstorbenen durchzuführen.

Mit dem Ausfüllen eines Organspendeausweises übernimmt jeder Verantwortung. Nicht nur für sich selbst und für seine Angehörigen, „sondern auch für den Nächsten, der eventuell davon profitieren kann“, sagt Chefarzt Dr. Frings. „Wenn mein Leben nicht mehr weiter möglich ist, dann ist es doch umso schöner, wenn ich bis zu sieben Leben retten kann. Nur durch diesen Ausweis!“

Vorurteile durch Transparenz und Aufklärung beseitigen

Niederschwellige Angebote, wie beispielsweise eine Foto-Doku-App des Organspendeausweises, aber auch verstärkte Aufklärungsarbeit durch die Transplantationsbeauftragten, etwa in Schulen, könnten enorm helfen, um Vorurteile gegenüber der Organspende und den medizinischen Prozessen abzubauen. Davon ist Anästhesie- und Intensivmediziner Gero Frings überzeugt. Weitere Informationen bietet außerdem die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA). Hier stehen schnelle Informationen und kompaktes Wissen zur Verfügung und tiefergehende Fachfragen für Mediziner und Ethiker werden erläutert.

Zukünftig sollen aber auch Hausärztinnen und Hausärzte immer wichtiger für die Beratung und Information zum Thema Organ- und Gewebespende werden. Denn mit der Gesetzesnovellierung 2022 wurde auch eine Beratungsziffer für die Allgemeinmediziner erstellt, die eine entsprechende Honorierung dieser Beratungsleistung erstmals zulässt.

Einen weiteren ganz praktischen Tipp hat Dr. Gero Frings auch noch:

„Wer das möchte, der kann auch im nächsten Krankenhaus die Transplantationsbeauftragte, den Transplantationsbeauftragten ansprechen und bitten, mal zu diesem Thema eine Unterhaltung zu führen. Wir sind immer dialogbereit“, sagt der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Transplantationsbeauftragten NRW e.V. und lädt alle Informationsinteressierten zum Gespräch ein.

Quellen:

https://www.aekno.de/aerzte/rheinisches-aerzteblatt/ausgabe/artikel/2022/januar-2022/organspende-ist-wertvoll-und-wichtig