Pflegepersonalbemessungsverordnung für Krankenhäuser – aber wann?

Nach der letzten Verschiebung der Einführung der PPR 2.0 von Januar auf Juli 2024 waren die Krankenhäuser in Deutschland nicht nur vom Deutschen Pflegerat dazu aufgerufen, die gewonnene Zeit effektiv zur Vorbereitung zu nutzen (*1). Inzwischen befinden wir uns im März und der Einführung droht die Blockade im Bundesrat. Grund ist ein Antrag Bayerns während der 681. Sitzung des Gesundheitsausschusses am 6. März, die Personalbemessungverordnung (PPBV) abzulehnen. Als Begründung nennt der Freistatt gleich mehrere Aspekte. Unter anderem sei das geplante Instrument ineffektiv und würde die angespannte Personalsituation in den Krankenhäusern durch bürokratische Tätigkeiten eher noch verschärfen.

Koalitionsvertrag wollte Pflege entlasten
In Folge der Corona-Pandemie wurde schon 2021 im Koalitionsvertrag die schnelle Entlastung der Pflege in Deutschland vereinbart. Ein Instrument dafür sollte die PPR 2.0 sein. Durch die kurzfristige Einführung (*2) der Pflegepersonalregelung sollten alle Krankenhäuser dazu verpflichtet werden, zunächst den tatsächlichen Pflegebedarf zu messen und im Anschluss das fehlende Personal aufzubauen. Dieses Vorhaben war der Regierung so wichtig, dass sie schon damals die finanzielle Sanktionierung derjenigen Unternehmen androhte, die bis spätestens 2025 nicht über ausreichende Personalkapazitäten verfügen.

Schulungsnachfrage steigt seit 2022
Kein Wunder also, dass ab Herbst 2022 die ersten deutschen Krankenhäuser an webtvcampus herantraten und um Schulungskurse zum Thema PPR 2.0 baten. Damals zeichnete sich für den Jahresbeginn 2023 eine Erprobungsphase für ausgewählte Krankenhäuser ab, gefolgt von einem Bericht des Bundesgesundheitsministeriums zum Sommer desselben Jahres. Mit der verbindlichen Einführung der „Pflegepersonalregelung 2.0“ in allen Krankenhäusern rechnete man ab Oktober 2023 (*3).
Inzwischen neigt sich auch das erste Quartal 2024 dem Ende entgegen, doch Klarheit über die Einführung eines Instruments zur Personalbemessung in Krankenhäusern besteht weiterhin nicht. Der Deutsche Pflegerat nennt den Antrag aus Bayern „inakzeptabel“ und „beschämend“ (*4). Weiter wirft er den bayerischen Antragstellern „massive Desinformation“ vor.

Deutscher Pflegerat kritisiert Freistaat Bayern
Die Präsidentin des Deutschen Pflegerates, Christine Vogler, erklärt:
„Der Freistaat Bayern bringt zwei Einwände vor: Personalmangel und Bürokratie. Die Inhalte der Pflegepersonalbemessungsverordnung basieren auf der PPR 2.0, die in Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Pflegerat, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und der Gewerkschaft ver.di über Jahre hinweg entwickelt wurde. Sie wurde erprobt und zeichnet sich durch einen minimalen Bürokratieaufwand aus.“ Weiter betont Vogler:
„Die Pflegepersonalbemessungsverordnung ist bundesweit das wichtigste Signal für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege im Krankenhaus. Die Verordnung führt dazu, dass mehr Menschen einen Pflegeberuf in Betracht ziehen und mehr Mitarbeiter:innen gewonnen werden können. Die Verordnung sendet mit der Umsetzung der PPR 2.0 ein klares Signal für positive Veränderungen in der Berufsgruppe.“

Bundesverband für Pflegeberufe verärgert
Auch der Deutsche Bundesverband für Pflegeberufe (DBfK) drückt seine Verärgerung über den Ablehnungs-Antrag Bayerns aus. DBfK-Präsidentin Christel Bienstein erklärt: “Der Antrag aus Bayern zeugt davon, dass Pflegequalität dort offensichtlich keine Rolle spielt.“ Und Bienstein weiter: „Wenn die PPBV wirklich abgelehnt wird, ist das ein schwarzer Tag für die professionelle Pflege und damit auch für die Patient:innen in den Krankenhäusern Deutschlands. Hier wird eine wichtige Maßnahme blockiert, ohne dass man eine Alternative präsentiert. Was auch immer Bayern damit erreichen will, es geht auf Kosten der beruflich Pflegenden und der Pflegequalität“. (*5)

Gewerkschaft spricht von verlogener Politik
Und auch die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di spart nicht mit Kritik an der bayerischen Freistaatsregierung. Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler erklärt (*6): Auch Bayerns Staatsregierung hat in Sonntagsreden immer wieder erklärt, die Überlastung der Pflegekräfte müsse überwunden werden. Doch jetzt will sie die entscheidende Maßnahme zur Entlastung auf den letzten Metern sabotieren. Diese Politik ist verlogen und unverantwortlich.“
„Die PPR 2.0 ist getestet und praktikabel. Die Personalbemessung wird die Situation von Patienten und Beschäftigten tatsächlich verbessern – wenn sie schnell und konsequent umgesetzt wird“, betonte Bühler weiter. Die Gewerkschafterin hat deshalb die anderen Bundesländer eindringlich aufgefordert, den Verstoß aus Bayern abzulehnen und die Verordnung zu beschließen.

Über 300.000 Pflegekräfte müssen richtiges Einstufen erst lernen
Doch um die Pflegepersonalregelung (PPR 2.0) umsetzen zu können, braucht es endlich eine Entscheidung der Politik. Denn erst wenn es verbindliche Regeln für alle gibt, können die Krankenhäuser effektiv mit den Vorbereitungen starten.
Ändern sich weiterhin klar definierte Rahmenbedingungen und Inhalte, sorgt die geplante Einführung der PPR 2.0 nur für noch mehr Verwirrung und Mehrarbeit bei den schon jetzt überlasteten Pflegekräften, anstatt die Arbeitsbedingungen für sie zu verbessern.

Krankenhäuser brauchen Planungssicherheit
Unternehmen, die in den vergangenen Monaten ihrer Verantwortung entsprochen und ihr Personal bereits geschult haben, um kurzfristig die PPR 2.0 umsetzen zu können, haben das Nachsehen. Nicht nur, dass sie bereits Zeit und Geld investiert haben, gleichzeitig können sie zum aktuellen Zeitpunkt nicht einmal sicher sein, dass die geschulten Inhalte kommen und dann auch den Vorgaben entsprechen.

Pflegedirektionen rechnen nicht mit Start zum 1. Juli
Während der heutigen (14.3.) Pressekonferenz der Deutschen Krankenhausgesellschaft zum Thema „Kalter Strukturwandel gefährdet zunehmend die Patientenversorgung“ (*7) zweifelten die Teilnehmer auf dem Podium daran, dass der Einführungstermin zum 1. Juli noch zu halten sei.
Sebastian Beitzel, Pflegedirektor der Hannoverschen Kinderheilanstalt Auf der Bult merkte auf Nachfrage von webtvcampus an, dass sein Unternehmen immer noch über zu wenige Informationen verfüge: „Zum einen, wie wird es digital abgebildet und auf der anderen Seite müssen ja auch hierfür Gelder aufgebracht werden, es muss Personal gefunden werden, was sich damit auseinandersetzt. Und das verschärft die Situation jetzt noch mehr.“
Ähnlich äußerte sich auch Andrea Lemke, Pflegedirektorin des Waldkrankenhaus Spandau: „Mir geht es so wie Ihnen – wir wissen immer noch viel zu wenig! Wie sehen die Sanktionen aus? Wie wird eine automatische Datenüberleitung stattfinden? Wie wird eine automatische Erfassung stattfinden – damit wir nicht ein Up- oder Down-Coding haben, bei den individuellen Erlebnissen der Mitarbeiter?“
Weiter formuliert Lemke konkrete Wünsche in Richtung der Verantwortlichen: „Ich würde mir eine klare Aussage wünschen – auch des BMGs – was haben die Kliniken zu erwarten, wenn sie nicht liefern, den Personalbestand, so wie erwartet?“

 

Quellen und Links:

681. Sitzung: https://www.bundesrat.de/SharedDocs/auschuesse-termine/g/termine-to/2024-03-06.html?nn=4353114

*1: https://deutscher-pflegerat.de/profession-staerken/pressemitteilungen/zeit-bis-zur-einfuehrung-der-ppr-2.0-effektiv-zur-vorbereitung-nutzen

*2: https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2024/0001-0100/65-24.pdf?__blob=publicationFile&v=2

*3:https://www.dkgev.de/fileadmin/default/Mediapool/2_Themen/2.5._Personal_und_Weiterbildung/2.5.0._PPR_2.0/20220623_Eckpunkte_Gesetzesauftrag_Umsetzung_PPR_2.0.pdf

*4: https://deutscher-pflegerat.de/profession-staerken/pressemitteilungen/pflegepersonalbemessungsverordnung-antrag-aus-bayern-ist-beschaemend

*5: https://www.dbfk.de/de/newsroom/pressemitteilungen/meldungen/2024/DBfK-veraergert-ueber-Antrag-zur-Ablehnung-der-PPBV-durch-Bayern.php

*6: https://www.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++59409af2-dc7f-11ee-8e3a-6f0c150ddb48

*7: https://www.dkgev.de/dkg/presse/pressekonferenz/

Referentenentwurf:
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/P/RefE_PPBV.pdf